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Streitkultur

 

Bei meinem letzten Workshop fragte mich eine Teilnehmerin:
"Frau Schierenbeck, können Sie überhaupt noch richtig streiten??"....
Da musste ich natürlich erstmal lachen - und dann nachdenken. Ja, ich kann noch richtig streiten, allerdings kommt das tatsächlich sehr selten vor. Aber dann ist es laut und widerspricht allen Regeln guter Konversation.
Die vielen Jahre, die ich mich schon mit Kommunikation beschäftige, haben mein Streitverhalten nachhaltig verändert.
Zum Positiven, wohlgemerkt. 

Was passiert, wenn man sich streitet?
Wut, Unsicherheit, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Trauer, Verletzlichkeit, Einsamkeit sind Gefühle, die während eines Streits, abwechselnd und unterschiedlich ausgeprägt, auftauchen.
Außerdem passiert es, dass man sich selber nicht mehr zuhört und dem anderen ab einem gewissen Punkt auch nicht. Man hängt dann noch an dem einen verletzenden Schlagwort fest und hat längst einen Nebenschauplatz eröffnet. Und kommt nicht weiter. Schon gar nicht in der Sache, um die es eigentlich geht. Längst ist man auf der Gefühlsebene angekommen und wetzt seine Messer in Form von verletzenden Worten.
Genauso, wie einen Kommunikation von Menschen entfernen kann, genauso kann sie eine unglaubliche Nähe schaffen, wenn man es denn "richtig" macht. Für mich persönlich ist sie die größte Voraussetzung für Nähe, die ich mit einem Menschen erreichen kann.
Aber wie macht man es denn nun richtig?
Da kann ich gar nichts Neues erfinden, sondern Ihnen nur das, kurz zusammen gefasst, weitergeben, was berühmte Kommunikationsexperten schon seit Jahrzehnten immer wieder erzählen:
Senden Sie Ich-Botschaften:
Bleiben Sie bei dem, was in Ihnen vorgeht. Fragen Sie sich während eines Streits immer wieder, um was es eigentlich geht. Hören Sie in sich hinein, was es ist, dass Sie so sehr verletzt, wodurch Sie sich so ungerecht behandelt fühlen.
Verschaffen Sie sich Atempausen. Atmen Sie aus. Lange ausatmen, kurz einatmen, lange ausatmen (kurz über den Atemreflex hinaus ausatmen). Das verschafft Ihrem Gehirn Ruhe. Fragen Sie nach: "Du meinst, ich sollte nicht so viel faulenzen?" Fragen Sie genau nach. "Was meinst du damit? Was ist für dich Faulenzen? Wie stellst du dir Fleiß vor? Usw."
Ja, ernsthaft. Es passieren dabei zwei Dinge: Zum einen kommen Sie damit zum tatsächlichen Kern und zum anderen spiegeln Sie Ihren Streitpartner.
Halten Sie Ihre Stimme unten (hier hilft Ihnen das Atmen) und einen neutralen Tonfall. Dabei hilft Ihnen übrigens Ihr Körper: Halten Sie Ihre Arme unten, bleibt Ihre Stimme auch leichter unten. Wenn wir richtig streiten, dann ist auch Ihr Körper in Kampfeshaltung und es wird ordentlich mit den Armen gefuchtelt (achten Sie mal drauf...). Versuche Sie Ihren Körper aufrecht zu halten, also die Schultern zurück und stellen Sie sich in einen sicheren Stand: Beine hüftbreit auseinander und beide Füße fest mit dem Boden verbinden. 
Machen Sie das ruhig mal in Trockenübung und versuche Sie jetzt mal wütend zu schreien... es wird Ihnen nicht gelingen...
Natürlich könnten Sie sich auch flach auf den Boden legen (auch dann können wir nicht wütend streiten), aber je nachdem, mit wem Sie streiten, könnte das ein wenig komisch kommen.... 
Lesen Sie sich nochmal meinen Beitrag über Kongruente Kommunikation durch, im FKM.
Es lohnt sich, eine gute Streitkultur zu entwickeln. 
Wenn wir anfangen, konstruktive Gespräche zu führen, kommen wir an das Potenzial, das in ihnen verborgen liegt.
Denken Sie mal zurück: Was ist bei Ihnen passiert, wenn ein Streit in einem konstruktiven Gespräch gemündet ist? Ja, genau, es geht weiter. Und anstelle der destruktiven Gefühle kommen dann Gefühle wie Dankbarkeit, Freude, Verbundenheit, Stärke, Hoffnung in einem auf.

Noch ein Experten-Tipp von mir: Wenn die Situation zu eskalieren droht, verlassen Sie die Kampf-Arena. Weisen Sie darauf hin, dass Sie aus dem Streit aussteigen, aber gern zu einem späteren Zeitpunkt das Gespräch fortsetzen. Wiederholen Sie diese Prozedur so lange, bis sie greift. Ja, das kann ein wenig dauern. Der Erfolg liegt in der Beharrlichkeit. Denn es nutzt nichts und niemandem, einen Streit bis aufs Messer zu führen. Am Ende bleiben nur Verlierer übrig.
Oder machen Sie es wie ein frisch verliebtes Paar es mir vor kurzem verraten hat: "Wenn uns die Argumente ausgehen, dann gehen wir einen Trinken, knutschen und... " Süß, oder?
Finden Sie Ihr eigenes Streitritual. Es wird nirgends ohne Auseinandersetzungen von statten gehen. Nicht im Beruf, nicht im Alltag und schon gar nicht in Beziehungen.

In diesem Sinne: Heute schon kultiviert gestritten? 
Auf geht's...

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